Nachhaltigkeit und Regionalität
Bei der Produktion von Bioethanol wird ausschließlich nachhaltig angebaute Biomasse verwendet. Nachhaltigkeit umfasst ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. Für nachhaltige Biomasse bedeutet dies die heutigen Bedürfnisse ressourcenschonend zu befriedigen, sodass für Ansprüche künftiger Generationen die natürliche Grundlage erhalten bleibt. Nachhaltigkeitsziele sind fester Bestandteil des politischen Programms der europäischen Union. Wesentliche Bestimmungen für die Produktion von Biokraftstoffen sind:
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Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2018/2001 (RED II)
Die REDII legt Bestimmungen für die Förderung und Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen in der EU fest. In der Richtlinie werden Nachhaltigkeitskriterien für Bioenergie und spezifische Regeln und methodische Leitlinien für die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomassekraftstoffen festgelegt.
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Delegierte Verordnung (EU) 2019/807 zur Bestimmung der Rohstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen:
Im Jahr 2019 hat die EU-Kommission zusätzlich zur überarbeiteten Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) einen so genannten delegierten Rechtsakt erlassen, der auf aktuellen Erkenntnissen beruht und zeigt, bei welchen Agrarrohstoffen im Zusammenhang mit der Biokraftstoffproduktion ein hohes Risiko indirekter Landnutzungsänderung (engl. ILUC, „indirect Land Use Change“) besteht.Die Einhaltung der EU-Nachhaltigkeitskriterien wird durch freiwillige, unabhängige Zertifizierungssysteme sichergestellt. Unternehmen wie REDcert bieten Zertifizierungssysteme für nachhaltige Biomasse, Biokraft- und –brennstoffe sowie nachhaltige Agrarrohstoffe zur Verwendung in der Lebens- und Futtermittelwirtschaft, aber auch zur stofflichen Biomassenutzung bzw. stofflichen Nutzung in der chemischen Industrie.
Indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) - Theorie und Forschung - delegierte Verordnung der EU-Kommission
ILUC – die Theorie und Forschung
Das für die Produktion von Biokraftstoffen nicht nur direkt, sondern auch indirekt Ackerflächen erschlossen werden, wird in der Forschung unter „indirekte Landnutzungsänderungen“ (engl. = indirect Land Use Change) thematisiert.
Die Theorie umschreibt einen möglichen Substitutionseffekt, demzufolge durch den Bedarf an Rohstoffen für die Biokraftstoffproduktion eine Verlagerung von Nahrungs- und Futtermittelproduktion auf bislang ungenutzte Flächen stattfindet. Die indirekt entstandenen Treibhausgasemissionen wären dann der Biokraftstoffproduktion in Form eines Treibhausgasaufschlages (ILUC-Wert) anzurechnen. Diese Einbeziehung von ILUC-Werten in der Treibhausgasbilanzierung von Biokraftstoffen ist jedoch aus verschiedenen Gründen umstritten.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse streuen erheblich und sind daher wenig belastbar. Das allgemeine Risiko von ILUC ist bereits nach Auffassung des Weltklimarats (IPCC) wissenschaftlich zweifelhaft. ILUC-Effekte seien nämlich nicht messbar, sondern nur theoretisch modellierbar. Weiterhin ist in der Praxis eine Unterscheidung von indirekten und direkten Landnutzungsänderungen schwierig.
Zur Untersuchung von Landnutzungsänderungen hat die EU seit dem Jahr 2009 mehrere Modellierungsstudien in Auftrag gegeben. Ein bedeutendes Modellierungsmodell wird in der GLOBIOM-Studie vorgestellt. Aus den oben genannten Gründen wird in der GLOBIOM-Studie keine Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Landnutzungsänderungen getroffen, sondern die Summe aus direkten und indirekten Effekten und den resultierende Treibhausgasemissionen modelliert. In 2019 wurde eine neue GLOBIOM-Modellierung unter Verwendung von aktuelleren Daten u.a. zum Agrar- und Rohstoffmarkt veröffentlicht, die geringere LUC Emissionen für Rohstoffe für EU Biokraftstoffe ergibt. Zur Klärung häufiger Missverständnisse in der Nutzung und Darstellung der GLOBIOM-Ergebnisse wurde im Jahr 2021 eine weitere Studie angefertigt.
ILUC – delegierte Verordnung der europäischen Kommission
Mit der im Jahr 2019 veröffentlichen Delegierten Verordnung (EU) 2019/807 werden Kriterien zur Bestimmung der Rohstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen festgelegt. Ein hohes ILUC Risiko liegt vor, wenn eine wesentliche Ausdehnung der Produktionsflächen auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu beobachten ist. In der delegierten Verordnung werden auch Vorgaben für die Zertifizierung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen mit geringem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen bestimmt.
Gemäß der Bestimmungsmethode wird Palmöl als Rohstoff mit hohem ILUC Risiko definiert. Rohstoffe zur Herstellung von Bioethanol – Getreide, Mais, Zuckerrüben – zeigen nur ein geringes ILUC Risiko.
Die heimischen Hersteller nutzen bei der Bioethanolproduktion ausschließlich europäische Rohstoffe und verarbeiten dabei einen breiten Rohstoffmix – in der Regel zu zwei Dritteln verschiedene Futtergetreidesorten, zu einem Drittel Zuckerrüben. Zur Einhaltung der Fruchtfolge werden im jährlichen Wechsel verschiedene Pflanzen mit unterschiedlichen Ansprüchen auf derselben Fläche angebaut. In Deutschlands Landwirtschaft gilt seit Jahrzehnten die „gute fachliche Praxis “. Hinzu kommen die Bestimmungen der europäischen „Cross Compliance“ im Rahmen der europäischen Agrarförderung (GAP) .
Für ihre Produktion benötigen die deutschen Bioethanolhersteller umgerechnet nur 3,3 Prozent bezogen auf die gesamten deutschen Ackerfläche.
Auf internationaler Ebene wird der Aufbau einer Bioethanol-basierten Wertschöpfungskette von den Vereinten Nationen (UNIDO) empfohlen, da Bioethanol eine erneuerbare Energiequelle ist, die eine entscheidende Rolle bei der wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit in den Entwicklungsländern spielen kann. Die Ethanolwirtschaft hat nach Einschätzung einer Studie der UN („UNLOCKING THE BIOETHANOL ECONOMY“) das Potenzial, die ländliche Armut zu lindern, die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern, das Wirtschaftswachstum auf lokaler und nationaler Ebene anzukurbeln, Arbeitsplätze zu schaffen, Leben durch nachhaltiges, „sauberes Kochen“ für Haushalte zu verbessern, die Gleichberechtigung zu fördern und Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren.
Soziale Verantwortung
Nachhaltigkeit betreibt die deutsche Bioethanolwirtschaft auch, in dem sie soziale Verantwortung übernimmt. Die Europäische Kommission ist laut der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) verpflichtet, dem Europäischen Parlament und dem Rat alle zwei Jahre über die sozialen Folgen einer erhöhten Nachfrage nach Biokraftstoffen zu berichten. Gegebenenfalls kann die Kommission dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten Korrekturen an den rechtlichen Vorschriften für Biokraftstoffe vorschlagen.
Im Hinblick auf die sozialen Folgen der EU-Biokraftstoffpolitik in Europa und in Drittländern berichtet die Kommission über die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln zu erschwinglichen Preisen, insbesondere für die Menschen in Entwicklungsländern, und über weitergehende entwicklungspolitische Aspekte. Außerdem ist auf die Wahrung von Landnutzungsrechten einzugehen. Zu Drittländern und zu Mitgliedstaaten, die eine bedeutende Rohstoffquelle für in der Gemeinschaft verbrauchte Biokraftstoffe darstellen, wird zudem sichergestellt, dass das betreffende Land alle der folgenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert und umgesetzt hat:
- Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (Nr. 29),
- Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts (Nr. 87)
- Übereinkommen über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (Nr. 98),
- Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (Nr. 100),
- Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit (Nr. 105),
- Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Nr. 111),
- Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (Nr. 138),
- Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (Nr. 182).
Den ersten Fortschrittsbericht "Erneuerbare Energien" gemäß der Richtlinie über erneuerbare Energien legte die EU-Kommission 2013 vor. Der letzte Fortschrittsbericht erfolgte 2020.
Arbeitsplätze
Auch als Arbeitgeber sorgt die deutsche Bioethanolwirtschaft für Nachhaltigkeit. Die Bioethanolproduktion in Deutschland sichert Arbeitsplätze vor allem im ländlichen Raum und fördert Investitionen in strukturschwache Regionen.
Weltweit ist die Anzahl der Jobs im Sektor erneuerbare Energien laut Angaben von IRENA (International Renewable Energy Agency) ansteigend und lag 2021 bei rund 12,7 Mio. Menschen. Dies ist ein Zuwachs von rund 700.000 Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr. Davon arbeiteten weltweit 2,4 Millionen Menschen im Bereich Biokraftstoffe (Bioethanol, Biodiesel, Pflanzenöl, Biomethan). Betrachtet man das gesamte Segment der Bioenergie, so beläuft sich die Beschäftigung auf über 3,4 Millionen Menschen. Den größten Teil der Beschäftigung stellt nach wie vor der Photovoltaik-Bereich mit 4,2 Millionen Beschäftigten. Ein weiterer wichtiger Baustein bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien ist die Windkraft, die weltweit knapp 1,4 Millionen Menschen Arbeit gibt. Die gesamte Beschäftigungswirkung der Erzeugung von erneuerbarer Energie in der EU wird von der aktuellen IRENA-Studie mit etwa 1,24 Millionen Personen angegeben.
Im Jahr 2016 wurden laut Forschungsbericht "Ökonomische Indikatoren des Energiesystems" (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt - DLR, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung - DIW, Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung - GSW im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie) insgesamt 23.800 Beschäftigte im Technologiebereich Biokraftstoffe gezählt. Für den Bereich Bionenergie, d.h. Biokraftstoffe und Strom aus Biomasse und Biogas, gibt IRENA die Anzahl der in Deutschland Beschäftigten mit 113.700 an.