Gemeinsamer Verbändebrief für eine ambitionierte Ausgestaltung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG)
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die damit eingeführte THG-Minderungsquote sind zentrale Treiber für die CO₂-Reduktion im Verkehrssektor in Deutschland. Als handelsbasiertes Instrument bietet die THG-Quote einen deutlich höheren CO₂-Preis als das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) und schafft wichtige Anreize zur Bereitstellung erneuerbarer Energieträger. Die im Zuge der nationalen Umsetzung der revisionierten Erneuerbaren-Energien-Richtlinie II anstehende Novellierung des BImSchG ist daher maßgeblich für CO₂-Einsparungen im Verkehrssektor. Die unterzeichnenden Verbände repräsentieren die komplette Bandbreite der von der BImSchG betroffenen Branchen – von den Erfüllungsoptionen Biokraftstoffe, eFuels und Elektromobilität bis hin zu den Endkunden und Verbrauchern.
1. THG-Quote: Erhöhung auf 40 % (2030) mit Mehrfachanrechnungen
Um das volle Potenzial bestehender und neu zugelassener Erfüllungsoptionen auszuschöpfen, ist ein ambitioniertes Quotenniveau notwendig, das Verdrängungseffekte zwischen den Optionen vermeidet. Eine nationale Quotenhöhe von 40 % im Jahr 2030 (unter Beibehaltung heutiger Multiplikatoren) würde im Vergleich zur europäischen Mindestvorgabe von 14,5 % (ohne Mehrfachanrechnungen) gemäß novellierter RED II ausreichende Marktanreize und Investitionssicherheit schaffen. Sollten die geltenden Multiplikatoren durch den Gesetzgeber geändert werden, müsste sich dies entsprechend auch in der Höhe der Quote widerspiegeln, sodass alle Erfüllungsoptionen ihr Potenzial ausschöpfen können.
Der Vorschlag von 40 % berücksichtigt die RED II-Novelle, die vorsieht, dass der Effizienzgewinn von BEVs künftig mit einem höheren fossilen Komparator (183 g CO₂/MJ) statt des bisherigen Anpassungsfaktors von 0,4 angerechnet wird. Diese neue Methode wird durch die voraussichtlich sinkende THG-Bilanz des Strommixes zu einem größeren Beitrag der Elektromobilität führen, obwohl die reale THG-Minderung gleichbleibt. Sollte die THG-Bilanz des Strommixes jedoch nicht sinken, müsste die Berechnungsmethode angepasst werden.
Die Absicht des BMUV, die THG-Quote über 2030 hinaus fortzuschreiben, ist aus marktlicher Sicht dringend notwendig und wird daher ausdrücklich begrüßt. Diese Fortschreibung sollte mit dem Ziel erfolgen, Deutschlands Klimaneutralitätsziel bis 2045 zu erreichen. Um die Investitionsanreize im Verkehrssektor zu verbessern, wird vorgeschlagen, ab 2030 von einem exponentiellen auf einen linearen Hochlauf der THG-Quote umzusteigen, um die CO₂-Reduktion pro Jahr zu erhöhen und die Klimaschutzwirkung der Quote zu stärken.
2. Vermeidung von Verdrängungseffekten durch automatische Quotenanpassung
Ein unerwartet starker Hochlauf der Elektromobilität kann Verdrängungseffekte zwischen den Erfüllungsoptionen verursachen. § 37h BImSchG schützt deshalb schon heute die anderen Optionen vor solchen Effekten durch eine automatisch greifende Erhöhung der THG-Quote. So kann das gesamte Klimaschutzpotenzial aller Erfüllungsoptionen genutzt werden. Dieser Paragraph sollte daher beibehalten werden.
Die vergangenen zwei Jahre haben jedoch gezeigt, dass solche Verdrängungseffekte auch durch andere Erfüllungsoptionen erzeugt werden können. Wir fordern daher die Einführung eines Anpassungsmechanismus analog zu § 37h auch für die Erfüllungsoptionen, die Mindestquoten unterliegen (fortschrittliche Biokraftstoffe und RFNBO). Nur so wird eine Gleichbehandlung und Wettbewerbsfähigkeit aller Erfüllungsoptionen sichergestellt und die kontinuierliche Anreizwirkung der THG-Quote gewährleistet.
3. Quotenübertragung: Berücksichtigung aktueller Entwicklungen
Zur Stärkung der THG-Quote vor 2030 sollten zusätzliche Anreize in die Novelle des BImSchG aufgenommen werden. Der jüngst vorgestellte Referentenentwurf zur Änderung der 38. BImSchV trägt zwar zur Stabilisierung des THG-Quotenmarktes in den Jahren 2025 und 2026 bei, adressiert jedoch nicht die massive Übererfüllung der Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe, die die Branchen für erneuerbare Energien im Verkehr ab 2027 erneut vor enorme Herausforderungen stellen wird. Auch die fehlende Investitionssicherheit für neuere Erfüllungsoptionen wie RFNBO ist bisher nicht adressiert. Eine deutliche Anhebung der THG-Quote und der Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe ist daher schon vor 2030 notwendig, um bestehende Quotenüberhänge abzubauen und ein Marktgleichgewicht herzustellen.
Um die Vorgaben der novellierten RED II für das Jahr 2030 erfüllen zu können, sollte die THG-Quote in diesem Jahr ausschließlich physisch erfüllt werden können – ohne Übertragbarkeit aus Vorjahren. Diese Regelung sollte transparent im Voraus kommuniziert werden, um Planungssicherheit zu gewährleisten.
4. Förderung von RFNBO und separate Unterquoten
Zur Vermeidung von Kannibalisierungseffekten wird vorgeschlagen, die kombinierte Unterquote aus der RED-II-Novelle (mindestens 5,5 % für fortschrittliche Biokraftstoffe und RFNBO) auf nationaler Ebene in zwei separate Quoten aufzuteilen. Sie sollten jeweils ambitioniert gestaltet werden, um beide Optionen gleichermaßen zu fördern.
Besonders der Hochlauf von RFNBO erfordert regulatorische Unterstützung, um Investitionsentscheidungen in einer frühen Marktphase zu ermöglichen. Die RFNBO-Unterquote für 2030 sollte ambitionierter ausfallen als in der RED II-Novelle vorgesehen. Eine zusätzliche Unterquote vor 2030 ist notwendig, um bereits angelaufenen Pionierprojekten Absatzmärkte zu garantieren.
5. Erweiterung des Geltungsbereichs der THG-Quote auf Luft- und Schifffahrt
Zukünftig sollte die THG-Quote auch auf in Deutschland in den Verkehr gebrachte Treib- und Brennstoffe der Luft- und Schifffahrt ausgeweitet werden, um Emissionsminderungen in allen Verkehrsträgern zu erzielen. Im Schienenverkehr sollte hingegen die bestehende Regelung beibehalten werden, wonach nur Kraftstoffe und nicht der verbrauchte Strom quotenrelevant sind.
Die Quoten und Kappungsgrenzen sollten auf die Gesamtheit des Energieverbrauchs im Straßen-, Schiffs-, Luft- und Schienenverkehr (ohne Strom für die Schiene) angewendet werden. Eine Übererfüllung in einem Verkehrsträger sollte nicht maßgeblich zur Erfüllung eines anderen beitragen. Wenn z. B. die Luftfahrt-Quoten für andere Verkehrsträger genutzt werden, dürfen keine Mehrfachanrechnungen zum Einsatz kommen, die ausschließlich für den Luftverkehr vorgesehen sind.
Unterzeichnende Verbände und Initiativen:
Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC)
BDBe Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft e.V.
Biogasrat+ e. V. – dezentrale energien
Bundesverband Bioenergie e.V. (BBE)
Bundesverband eMobilität e.V.
Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V.
Bundesverband Paket- und Expresslogistik e. V. (BPEX)
Bundesverband THG Quote e.V.
BWVL BUNDESVERBAND FÜR EIGENLOGISTIK & VERLADER e.V.
Deutscher Wasserstoff-Verband (DWV) e.V.
DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V.
eFuel Alliance e.V.
Fachverband Biogas e.V.
Initiative Klimabetrug Stoppen
UNITI Bundesverband EnergieMittelstand e.V.
Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V.
Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V.
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