Maßnahmenvorschläge zur Verschärfung der Nachhaltigkeitszertifizierung fortschrittlicher Biokraftstoffe (Anhang IX Teil A)
Die Verbände bitten die Bundesregierung, folgende Maßnahmen in Betracht zu ziehen:
Kurzfristige Maßnahmen (im laufenden Quotenjahr 2023)
- Novellierung der 38. BImSchV
Eine Doppelanrechnung bei Übererfüllung der Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe sollte untersagt werden, wenn das Herkunftsland des Kraftstoffes oder der Produzent selbst keine Witness Audits der BLE zulässt;
- Aussetzen von BLE-Biomassecodes für Biokraftstoff-Importe aus Ländern, deren Produzenten unter Betrugsverdacht stehen, während laufender Untersuchungen durch die BLE, das BMUV oder nationale und EU-Strafverfolgungsbehörden
Im aktuellen Verdachtsfall „China“ zählen dazu Fettabscheider-Inhalte gemäß BLE-Biomassecodes 3826-w020305-01 und 15162-w020305-01 sowie 3826-w020305-91 und 15162-w020305-91, außerdem Biomassecodes für soapstock- oder food waste sludge-basierte Biokraftstoffe, ggf. auch weitere.
- Umgehende und regelmäßige Überprüfung der BLE-Biomassecode-Liste hinsichtlich ihrer Aktualität und praktischen Anwendbarkeit
- Vertrauensschutz
Es sollte eine über die aktuelle BLE-Mitteilung (siehe BLE-Website) hinausgehende Ankündigung der BLE geben über die Aussetzung des Vertrauensschutzes für Nachhaltigkeitsnachweise gemäß §17 (2) Ziffer 1 Biokraft-NachV, wenn die Marktteilnehmer Kenntnis von Betrug haben konnten („…bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt die Unwirksamkeit hätte erkennen können.“)
Mittelfristige Maßnahmen (per 01.01.24)
In Ländern wie Österreich, Frankreich oder Belgien müssen Produzenten fortschrittlicher Biokraftstoffe ein behördliches Akkreditierungsverfahren durchlaufen. Dabei sind u. a. Rohstoff, Produktionsprozess und Ausbeute darzulegen.
Bei erfolgreicher Prüfung durch die nationale Behörde erhält der Antragsteller die Genehmigung, eine maximale Menge des fortschrittlichen Biokraftstoffes in einem festgelegten Zeitraum zur Anrechnung in dem jeweiligen Mitgliedstaat anzumelden.
Die Bundesregierung sollte in Erwägung ziehen, ein solches Verfahren auch in Deutschland einzuführen. Als Aufsichtsbehörde könnte die BLE fungieren. Das Akkreditierungsverfahren könnten Zertifizierungssysteme als Teil einer (verschärften) Nachhaltigkeitszertifizierung in Begleitung eines BLE-Prüfers (nur bei der Erstzertifizierung) durchführen. Ein solches Verfahren könnte u. a. die folgenden Maßnahmen beinhalten.
Akkreditierung (für jeweils 2 Jahre)
Die Akkreditierung umfasst
- eine verfahrenstechnische Prüfung (Engineering Report), (ob und wenn ja) welche Mengen eines fortschrittlichen Biokraftstoffs der Produzent aus dem angegebenen Rohstoff herstellen kann; ein Wechsel der Auditoren nach 4 Jahren ist obligatorisch.
- eine Tiefenprüfung (Due Diligence) der letzten Schnittstelle (= verschärftes Erstaudit);
- die Hinterlegung einer volumen- und wertabhängigen Sicherheitsleistung (Kaution).
Die Sicherheitsleistung wird eingezogen, wenn- „das Zertifikat der ausstellenden Schnittstelle zum Zeitpunkt der Ausstellung des Nachhaltigkeitsnachweises ungültig war“;
- von der Schnittstelle ausgestellte Nachhaltigkeitsnachweise „gefälscht sind oder unrichtige Angaben enthalten“.
Laufende Kontrollen im Akkreditierungszeitraum
Während eines Akkreditierungszeitraumes erfolgen in Präsenz
- quartalsweise Kontrollen der Massenbilanzen durch Prüfung aller ein- und ausgehenden Ströme (Rohstoffe, Hilfsstoffe sowie Fertigprodukte) und Energieverbräuche des Produzenten;
- eine halbjährliche Kontrolle des Warenwirtschaftssystems, einschlägiger Akten, und des Rechnungswesen des Produzenten am Standort.
Einzuhaltende Anforderungen im Akkreditierungszeitraum
- Rohstoffeinsatz: Massenbilanzierung erfolgt nur innerhalb der jeweiligen Rohstoffkategorie (z. B. Anhang IX Teil A), nicht aber zwischen verschiedenen Rohstoffkategorien (z. B. zwischen Anbaubiomasse und Anhang IX Teil A oder zwischen Anhang IX Teil A und B);
- Rückstellmuster: Für jede Rohstofflieferung und jede Produktauslieferung ist ein Rückstellmuster vorzuhalten, welches auf Nachfrage der BLE analysiert werden kann; im Falle eines Co-Processing für Produktauslieferungen zwingend auch per Radiokarbonmethode (C14).
- Rohstoffanlieferungen und Fertigproduktauslieferungen per Schiff: Es hat eine einschlägige Analytik durch ein unabhängiges Labor nach Probennahme durch einen unabhängigen Kontrolleur zu erfolgen. Bei der Analyse von Rohstoffanlieferungen ist der Fokus auf mögliche Vermischungen mit Palmöl zu richten.
Mittel- und langfristige Maßnahmen
- Die Bundesregierung sollte auf die Europäische Kommission (DG ENER) einwirken, die Durchführungsverordnung (EU) 2022/996 bei der für 2024 vorgesehenen Revision hinsichtlich ihrer Anforderungen an die verfahrenstechnische Ausbildung und Schulung von Auditoren zu verschärfen.
- Zudem sollten Zertifizierungssysteme Ausbeutespannen für die Verarbeitung fortschrittlicher Biokraftstoffe für Audits zwingend vorgeben.
- Zentral ist, dass die oben genannten Maßnahmen
- Akkreditierung
- Laufende Kontrollen im Akkreditierungszeitraum
- Einzuhaltende Anforderungen im Akkreditierungszeitraum
auch europarechtlich durch die Durchführungsverordnung bzw. im Rahmen der Zulassung der Zertifizierungssysteme durch die Europäische Kommission vorgegeben werden.