Stellungnahme zum Entwurf des Klimaschutzplans 2050 vom 06.09.2016

von Bundesverband Bioenergie (BBE), Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe), Bundesverband Dezentraler Oelmühlen und Pflanzenöltechnik (BDOel), Deutscher Bauernverband (DBV), Fachverband Biogas (FvB), Fachverband Holzenergie (FVH), Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe (MVaK), Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP), Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB)

1. Das Wichtigste in Kürze

  • Sowohl die fast vollständige Fokussierung auf den Einsatz von Strom im Wärme- und Verkehrssektor als auch die vollständige Ablehnung der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist nicht nachvollziehbar. Aus fachlicher Sicht ist eine Klimaschutzstrategie, die fast ausschließlich auf Energieeffizienz und Elektrifizierung mittels Nutzung von Wind- und Solarstrom setzt, nicht sinnvoll.
  • Die Bioenergie leistet bereits heute einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung des Energiesystems, der noch weiter ausgebaut werden kann. Die Annahme, dass der heutige Beitrag der Bioenergie klimaneutral ersetzt werden kann, ist nicht gerechtfertigt.
  • Neben ihrem Beitrag zum Klimaschutz in den Sektoren Strom, Wärme, Mobilität, Landwirtschaft und Industrie trägt die Bioenergie zu volkswirtschaftlichen Synergieeffekten in Energie-, Umwelt- und Strukturpolitik bei. Hierzu zählen beispielsweise Systemdienstleistungen im Stromnetz, Erhöhung der Biodiversität in der Landwirtschaft und Wertschöpfung in ländlichen Regionen.
  • In Biogasanlagen wird in der Regel sowohl Strom als auch Wärme genutzt. Entsprechend muss in der Emissionsbilanz ein Teil der Emissionen der Wärmenutzung zugeordnet werden, woraus sich für das Beispiel Mais eine THG-Reduktion von fast 80 % im Vergleich zur fossilen Referenz ergibt. Die energetische Nutzung von Anbaubiomasse muss daher besser bewertet werden als im Entwurf des Klimaschutzplans angenommen.
  • Die Potenziale bei der Vergärung von Wirtschaftsdüngern, Abfällen und landwirtschaftlichen Reststoffen müssen gehoben werden. Biogasanlagen auf Basis von Wirtschaftsdüngern verfügen über ein großes Potenzial zur weiteren Treibhausgassenkung in der Landwirtschaft ohne Nutzungskonkurrenz.
  • Die Nutzung forstlicher Biomasse trägt nachweislich wesentlich zum Klimaschutz und zur Ressourcen-schonung bei und ist integraler Bestandteil einer nachhaltigen Forstbewirtschaftung. Ein Nutzungsverzicht heimischer Wälder um ihre Kohlenstoffsenkenfunktion zu erhöhen löst Verdrängungseffekte und ökologische Folgeschäden aus, die die erhofften Klimaschutzleistungen überkompensieren und damit konterkarieren können.
  • Biokraftstoffe sind heute wie mittelfristig die einzige Option im Mobilitätssektor, um den Bedarf an klimafreundlichen Antriebsstoffen zu decken, auch unter Berücksichtigung der Verkehrsbereiche, die über den individualen Personenverkehr hinausgehen, d.h.Schwerlastbereich, Schiffsverkehr und Luftfahrt. Dieser Beitrag der Biokraftstoffe zur CO2-Vermeidung könnte ohne regulatorische Deckelung weiterhin deutlich gesteigert werden.
  • Eine schnellere und deutlich stärkere Anhebung der THG-Quote im Verkehr ist mit Biokraftstoffen umsetzbar, sodass der Verbrauch fossiler Kraftstoffe gesenkt und damit die THG-Minderung weiter gesteigert werden könnte.

 

Auszug aus der Stellungnahme: Kapitel 5

5. Zum Klimaschutz durch die Nutzung von Biokraftstoffen

5.1 Allgemeines

Grundsätzlich begrüßen die Biokraftstoffverbände den Entwurf des Klimaschutzplan 2050 als Grundlage für die Klärung der langfristigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Klimaschutzes im Verkehr. Für die Umsetzung des Pariser Abkommens sind dabei neben den nationalen die europäischen und internationalen Klimaziele zu berücksichtigen. Es wird ausdrücklich begrüßt, dass Marktwirtschaft und Wettbewerb als Grundlagen für die Erreichung der Klimaziele betont werden. Ebenfalls wird ausdrücklich die dem Entwurf zu Grunde gelegte Technologieneutralität und Innovationsoffenheit begrüßt. Dafür sind geeignete und verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich.

5.2 Zum Energiebedarf des Verkehrs

Der Entwurf des Klimaschutzplans 2050 geht davon aus, dass der Energiebedarf des Verkehrs im Wesentlichen mit Strom gedeckt werden wird. Die Energieversorgung des Straßen- und Schienenverkehrs sowie von Teilen des Luft- und Schiffsverkehrs werde „weitgehend auf Strom aus erneuerbaren Energien umgestellt“ (S. 39 Rz 42 u. 43). Diese Annahme erscheint mit Blick auf die Energiereferenzprognose 2030/2050 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (S. 177 ff.) bedenklich. Danach steigt beispielsweise der Bestand von Elektro-Kfz auf 2,8 Mio. Pkw im Jahr 2030. Dies entspricht einem Anteil der Elektro-Kfz von ca. 6,4 % am gesamten Kfz-Bestand von ca. 44 Mio. im Jahr 2030. Für das Jahr 2050 werden 9,8 Mio. Elektro-Kfz (23 % des Kfz-Bestands) prognostiziert. Danach haben im Jahr 2030 42 Mio. Kfz und im Jahr 2050 33 Mio. Kfz Benzin-/Dieselantriebe. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Entwicklung in den anderen EU-Mitgliedsstaaten ähnlich verlaufen wird.
Daraus folgt, dass zur Deckung des Energiebedarfs des Kfz-Bestands mit Otto- und Dieselantrieben langfristig geeignete flüssige/gasförmige Kraftstoffe mit einem möglichst geringen Anteil fossiler Kraftstoffe notwendig sind. In der Energiereferenzprognose wird für das Jahr 2030 ein Anteil von 20 % erneuerbarer Energien in den Kraft-stoffen für die Erreichung der Klimaziele zu Grunde gelegt, hieran müssen sich Zwischenziele auf dem Zielerreichungspfad für das Jahr 2050 ausrichten.
5.3 Senkung der THG-Emissionen des Verkehrs

Für die notwendige Senkung der kraftstoffbedingten THG-Emissionen des Verkehrs bis zum Jahr 2030 bzw. bis zum Jahr 2050 ist es erforderlich,

  • den Verbrauch fossiler Kraftstoffe konsequent zu senken und bis 2050 zu beenden
  • die Nutzung von klimafreundlichem erneuerbarem Strom zu steigern
  • alle verfügbaren erneuerbaren Kraftstoffe mit hoher THG-Vermeidung zu nutzen und
  • neue innovative Kraftstoffe wie Power-to-X zu entwickeln.

Mit Blick auf die grundlegenden Prinzipien Marktwirtschaft, Wettbewerb und Technologieneutralität werden dazu folgende Instrumente empfohlen:

1. Deutschland

a) Die in Deutschland im Jahr 2015 eingeführte THG-Quote sollte als Kern des Klimaschutzes im Verkehr konsequent und wenn möglich im europäischen Gleichklang ausgebaut werden. Die bis zum Jahr 2020 geltenden THG-Quoten sollten schneller und deutlich stärker als bislang vorgesehen unter Berücksichtigung aller möglichen Maßnahmen zur THG-Minderung angehoben werden. THG-Minderungen durch „upstream emissions reduction“ (UER) sollten nur auf eine entsprechend angehobene THG-Quote additiv angerechnet werden.

Die THG-Quote hat zur Folge, dass im Markt die Kosten der THG-Minderung, d.h. die Kosten pro vermiedene Tonne CO2, die entscheidenden Wettbewerbsfaktoren sind. Dies hat eine deutliche Steigerung der THG-Effizienz bewirkt. Die durchschnittliche THG-Einsparung der Biokraftstoffe ist von 51 % im Jahr 2014 deutlich auf 70 % im Jahr 2015 gestiegen. Für die Erfüllung der THG-Quote sind daher signifikant geringere Mengen an Biokraftstoffen als im Jahr 2014 verwendet worden. Der Absatz aller Biokraftstoffe ist von ca. 124.582 TJ im Jahr 2014 auf 113.884 TJ im Jahr 2015 gesunken; das entspricht einem Rückgang um 8,6 %.

Daraus ergibt sich, dass eine deutlich höhere THG-Quote hätte erfüllt werden bzw. der Verbrauch fossiler Kraftstoffe deutlich hätte gesenkt werden können.
Für die Erfüllung der THG-Quote werden durch die Rl. 2015/652/EG weitere Möglichkeiten zur Senkung der THG-Emissionen in der Herstellungskette fossiler Kraftstoffe z.B. UER eröffnet. Nach bisher verfügbaren Informationen ist davon auszugehen, dass durch UER eine THG-Minderung in einer Größenordnung von ca. 19 Mio. t CO2 realisierbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass UER keine Senkung des Verbrauchs fossiler Kraftstoffe bewirken und auf die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls und des Pariser-Abkommens nicht angerechnet werden. Die bislang ab dem Jahr 2020 auf 6 % festgesetzte THG-Quote sollte deshalb entsprechend den durch UER möglichen THG-Minderungen angehoben werden.

b) Bis zum Jahr 2030 sollte die THG-Minderung im Verkehr unter Berücksichtigung aller Einsparmaßnahmen entsprechend dem vorgesehenen „burden sharing“ auf einen Zielwert von 38 % angehoben werden.

Die für die Jahre 2030 und 2050 für die THG-Minderung beschlossenen EU-Ziele können nur erreicht werden, wenn die THG-Emissionen des Verkehrs entsprechend gesenkt werden.

c) Um einen Anteil von 27 % erneuerbarer Energien im Jahr 2030 zu erreichen, sollte die Erfüllung der THG-Quote jährlich evaluiert werden, um ggfs. z.B. schrittweise das Inverkehrbringen fossiler Kraftstoffe zu begrenzen.

Die steigende THG-Effizienz von Biokraftstoffen und anderer erneuerbarer Energieträger sowie zusätzliche Möglichkeiten zur Senkung der THG-Emissionen im Mineralölbereich (wie z.B. gesetzliche Vorgaben an die Fahrzeugzulassung (Pkw, Nutzfahrzeuge (on- und off-road)) zur Senkung von CO2/km bzw. der Betriebsstunden, neue synthetische erneuerbare Kraftstoffe haben zur Folge, dass voraussichtlich ein geringerer Anteil als 27 % erneuerbarer Energien im Jahr 2030 benötigt wird, um die THG-Quote zu erfüllen. In der anstehenden Verpflichtungsperiode bis 2030 werden die Rahmenbedingungen für einen evolutionär ausgerichteten und dabei technologie- und rohstoffoffenen Effizienzwettbewerb geschaffen. Markteingeführte Biokraftstoffe als bisher einzige spürbare THG-Minderungsmaßnahme leisten dabei von Beginn an ihren Klimaschutzbeitrag zur Zielerreichung in der Breite der bestehenden Fahrzeugflotten. Ihre Brückenfunktion wird unterstrichen als Ergebnis der zunehmenden Hybridisierung der Antriebe, denn der Verbrennungsmotor wird daher grundsätzlich auch nach 2030 den Antrieb bestimmen. Im Schwerlastverkehr und besonders im off-road Bereich wie z.B. in der Land- und Forstwirtschaft ist eine Dekarbonisierung, bedingt durch hohe und dauernde Antriebsleistung, praktisch nur mit Biokraft-stoffen möglich.

2. Europäische Union

a) Um in allen EU-Mitgliedstaaten einen Anteil von 27 % erneuerbarer Energien im Jahr 2030 zu erreichen, sollte die tatsächliche Verwendung solcher Energieträger jährlich auf EU-Ebene evaluiert werden, um ggfs. z.B. schrittweise das Inverkehrbringen fossiler Kraftstoffe zu begrenzen.

Sollte auf EU-Ebene kein für die EU-Mitgliedstaaten verbindlicher Mindestanteil erneuerbarer Energieträger im Verkehr festgesetzt werden, ist zu gewährleisten, dass das EU-Ziel durch geeignete Maßnahmen in den EU-Mitgliedstaaten erreicht wird. Dies setzt ein geeignetes Monitoring der EU-Mitgliedstaaten voraus.

b) Die Pflicht zur Senkung der THG-Emissionen des Verkehrs sollte über das Jahr 2020 fortgeschrieben und auf einen Zielwert von 30 % im Jahr 2030 angehoben werden.
Für die Erfüllung der EU-THG-Ziele in allen EU-Mitgliedstaaten sind verbindliche Regelungen notwendig. Dies ist auch zur Gewährleistung des freien Handelsverkehrs und einheitlicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt erforderlich.

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