
Kraftstoff der Zukunft: E20 und sein Weg an die Zapfsäule
Anfang 2025 sind nach wie vor überwiegend Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf deutschen Straßen unterwegs, davon knapp 30 Millionen Benziner und 14 Millionen Diesel-Fahrzeuge. Durch den bislang stockenden Hochlauf der Elektromobilität fahren derzeit lediglich etwas mehr als 1,6 Millionen Fahrzeuge rein batteriebetrieben. Die Zahl der Hybrid-Pkw inklusive Plug-In-Hybride beläuft sich auf über 3,5 Millionen. Der Beitrag dieser Elektrofahrzeuge zur gesamten CO2-Einsparung im Verkehrssektor fällt angesichts solcher Zahlen weiterhin gering aus. Folglich müssen Emissionseinsparungen durch andere Maßnahmen erreicht werden. Durch eine höhere Beimischungsquote von Bioethanol im Benzin könnte die bestehende Fahrzeugflotte mit Benzinmotoren, inklusive der weit verbreiteten Hybridbenziner, relativ schnell den CO2-Ausstoß weiter senken.
Geht es nach einigen politischen Entscheidungsträgern wie beispielsweise der SPD-Bundestagsfraktion, Verkehrs-Verbänden wie dem ADAC oder Automobilsportbetreibern wie Four Motors oder Max Kruse Racing Team, kann E20 mit mehr umweltschonendem Bioethanol im Benzin einen zusätzlichen Minderungsbeitrag leisten.
Kommt nach E10 nun E20 an die deutschen Tankstellen? Um den Kraftstoff E20 schlussendlich an der Tankstelle als Produkt an die Autofahrer verkaufen zu können, ist eine Erweiterung des bestehenden rechtlichen Rahmens (10. BImSchV/EU Fuel Quality Directive) notwendig. Denn der Verkauf von Kraftstoffen unterliegt strengen Regeln. Eine Grundlage für Änderungen des Rechtsrahmens ist die zügige technische Normierung eines E20-Kraftstoffs, die derzeit bereits auf europäischer Ebene stattfindet. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat in den vergangenen Jahren bereits einen Normierungsvorschlag erarbeitet, der an das Europäisches Komitee für Normung (CEN; französisch: Comité Européen de Normalisation) übergeben wurde. Das DIN ist ein eingetragener Verein und wird privatwirtschaftlich getragen. Es wird bei seinen europäischen und internationalen Normungsaktivitäten als einzige nationale Normungsorganisation von der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Über seine Mitarbeit in verschiedenen Ausschüssen bringt sich der BDBe unter anderem in die nationale und europäische Normung von Kraftstoffen ein.
Der dem CEN übergebene deutsche Normierungsvorschlag für E20 wird derzeit von europäischen Experten bewertet und ergänzt, um eine gesamteuropäische Akzeptanz für den Vorschlag herzustellen. Im Fokus der Beratungen stehen dabei:
- eine Mindest-Oktanzahl (ROZ) von 98,
- ein Mindest-Ethanolgehalt zwischen zehn und 15 Prozent und
- eine strikte Beschränkung des Wassergehalts des Kraftstoffes.
Bei einem zügigen Fortgang könnten die Normungsarbeiten im Jahr 2028 abgeschlossen sein und mit der Markteinführung von E20 begonnen werden.
Einige Weltregionen sind den Schritt über Super E10 hinaus bereits gegangen: in Thailand, Indien, den USA, Paraguay, Argentinien und Brasilien kann bereits Benzin getankt werden, dem deutlich mehr Ethanol beigemischt wird, als hierzulande. In Brasilien gibt die entsprechende nationale Norm Resolucao ANP N° 40/2013 bereits heute einen Mindestanteil von 20 Prozent Bioethanol im Kraftstoff vor. Aktuell liegt der Beimischungsanteil dort bei 27,5 Prozent und soll bis 2030 auf 35 Prozent angehoben werden.
Indien als Vorreiter
Seit einigen Jahren forciert Indien die Beimischung von Bioethanol zu Benzin. Mit der „National Policy on Biofuels 2018“ (NPB‑2018) setzte die indische Regierung dem Subkontinent das Ziel, bis 2030 eine 20-prozentige Ethanolbeimischung im verwendeten Benzin zu erreichen. Eine Roadmap von 2021 bezeichnet dieses Ziel als nationale Notwendigkeit und strategische Priorität. Die NPB-2018 fördert auch den Anbau von Agrarrohstoffen auf Brachland, um zusätzliche Einkommensquellen für die Landbevölkerung zu schaffen und um Preisstabilität für die von den Landwirten abgesetzten Produkte zu gewährleisten. Ein weiteres erklärtes Ziel dieser Politik ist es, die Abhängigkeit Indiens von Ölimporten zu reduzieren.
In Indien wurden technische Spezifikationen erarbeitet, die die sichere Nutzung von Ethanol als Beimischung zu Ottokraftstoff gewährleisten sollen. Wegweisend dabei sind die beiden indischen Normen (Indian Standard) IS 15464 und IS 17021:2018:
· Die Norm IS 15464 spezifiziert die Anforderungen an den vergällten Ethylalkohol, der als Beimischung zu Motorenbenzin verwendet wird, um E5-, E10- und E20-Kraftstoffe herzustellen.
· Die Norm IS 17021:2018 legt die Spezifikationen für den E20-Kraftstoff für den allgemeinen Gebrauch in kompatiblen Fahrzeugen fest. Diese Norm gibt an, dass die Nutzung von E20 in den meisten vorhandenen Ottomotoren grundsätzlich möglich sei, jedoch eine Anpassung der Motorkalibrierung erfordere, um die Motorleistung zu erhalten und die Emissionsgrenzwerte einzuhalten.
Fahrzeuge, die mit E20 betrieben werden, dürfen nachweislich keine Schäden an den Materialien des Kraftstoffsystems oder am On-Board-Diagnosesystem erleiden, auch dürfen keine nachteiligen Effekte für das Fahrverhalten auftreten. Die E20-Verträglichkeit eines Fahrzeugs muss vom Hersteller zugesichert werden. Für die Typgenehmigung von Neufahrzeugen, die mit dem E20-Kraftstoff betrieben werden sollen, wurde ergänzend die Norm IS 17943:2022 eingeführt, die einen Referenzkraftstoff für Prüfstellen und Hersteller spezifiziert. Dies soll sicherstellen, dass der E20-Kraftstoff mit allen Materialien und Komponenten des Kraftstoffsystems neuer Fahrzeuge kompatibel ist. Jüngst wurden beispielsweise der TSI-Motor von Skoda sowie alle aktuell in Indien produzierten Modelle von Honda als E20-konform zertifiziert. Auch Volkswagen hat für seine in Indien abgesetzten Fahrzeuge die Freigabe für das Tanken mit einem E20-Kraftstoff erteilt.
Indien, als einer der weltweit größten Automobilhersteller, nimmt mit diesen Entwicklungen eine wegweisende Rolle ein. Politische und wirtschaftliche Treiber für den erhöhten Bioethanoleinsatz sind Bestrebungen zur Unabhängigkeit von Ölimporten und die Nutzung umweltfreundlicher, national verfügbarer Alternativen zu Benzin. Die Ethanolproduktion in Indien stieg von über 300.000 Tonnen im Jahr 2014 auf knapp 5,6 Millionen Tonnen im Jahr 2024. Die durchschnittliche Ethanol-Beimischungsrate lag 2024 bei 14,6%. Im Januar 2025 erreichte die Ethanolbeimischung in Benzin einen Rekordwert von 19,6%, wie das Ministerium für Petroleum und Erdgas mitteilte. Damit nähert sich Indien seinem Ziel einer 20-prozentigen Beimischungsrate, wofür schätzungsweise über 8 Millionen Tonnen Ethanol benötigt werden, frühzeitig an. Das Ziel, einen 20-prozentigen Ethanol-Beimischungsanteil im Benzin zu erreichen, wurde daher im Februar 2025 von 2030 auf das Jahr 2025 vorverlegt.
Bereits im Jahr 2023 wurde im Rahmen des G20-Gipfel in Neu-Delhi eine globale Allianz für Biokraftstoff gegründet. Zu den Initiativmitgliedern gehören neben Gastgeber Indien Argentinien, Bangladesch, Brasilien, Mauritius, Südafrika, die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA. Als einziges europäisches Land ist Italien in der Allianz vertreten. Kanada und Singapur haben einen Beobachterstatus eingenommen.
E20-Spezifikationsvorschlag
Vorgestellt auf der Konferenz "Kraftstoffe der Zukunft 2024", Rod Williams (CEN)
Eigenschaft | Einheit | Grenzwerte | |
---|---|---|---|
Min | Max | ||
Research-Octanzahl, ROZ | 98,0 | - - | |
Motor-Octanzahl, MOZ | 85,0 | - - | |
Bleigehalt | mg/l | - - | 5,0 |
Dichte (bei 15°C) | kg/m³ | 720,0 | 775,0 |
Schwefelgehalt | mg/kg | - - | 10,0 |
Mangangehalt | mg/l | - - | 2,0 |
Oxidationsstabilität | Minuten | 360,0 | - - |
Abdampfrückstand (gewaschen) | mg/100 ml | - - | 5,0 |
Korrosionswirkung auf Kupfer (3 h bei 50°C) | Korrosionsgrad | Klasse 1 (Der Wortlaut der Leitlinien wird verschärft werden) | |
Wassergehalt | mg/kg | - - | 2000,0 |
Aussehen | klar und hell | ||
Gehalt an Kohlenwasserstoffgruppen | % (V/V) | ||
- Olefine | - - | 18,0 | |
- Aromaten | - - | 35,0 | |
Benzolgehalt | % (V/V) | - - | 1,00 |
Sauerstoffgehalt | % (m/m) | 3,7 | 8,0 |
Gehalt an sauerstoffhaltigen organischen Verbindungen | % (V/V) | ||
- Methanol | - - | 3,0 | |
- Ethanol | 10,0 | 20,0 | |
- Isopropylalkohol | - - | 12,0 | |
- Isobutylalkohol | - - | 15,0 | |
- tert-Butylalkohol | - - | 15,0 | |
- Ether (5 oder mehr C-Atome) | - - | 22,0 | |
- andere sauerstoffhaltige Verbindungen | - - | 15,0 |
Die Spezifikation für E10+ wurde im Januar 2024 auf der Konferenz "Kraftstoffe der Zukunft" in Berlin vorgestellt. Sie stellt den Stand der Diskussion zum damaligen Zeitpunkt dar und ist der letzte öffentlich kommunizierte Arbeitsstand der CEN-Arbeitsgruppe "Specification for unleaded petrol" (CEN/TC 19/WG21).
Emissionsvergleich verschiedener Benzinsorten
Die Untersuchungen zum Emissionsvergleich unterschiedlicher Benzinsorten wurden mit einem instrumentierten Serienfahrzeug (VW Taigo 1,5l Ottomotor) auf dem Fahrzeug-Rollenprüfstand der Hochschule Coburg durchgeführt.
Dabei wurden Standard- und FTIR-Emissionsdetektionssysteme verwendet und mehrere Testläufe nach der etablierten Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure (WLTP) mit Benzinkraftstoffen unterschiedlicher Ethanolgehalte durchgeführt.
Bei diesen Untersuchungen wurde das Fahrzeug mit einer Starttemperatur von 21,5 °C und kaltem Antriebsstrang getestet. Alle untersuchten Kraftstoffe entsprachen der Norm DIN EN 228 für Ottokraftstoffe und konnten in den Tests die EU6-Grenzwerte einhalten. Die höheren Beimischungsanteile von Bioethanol verbesserten größtenteils das Abgasemissionsverhalten der Kraftstoffe.
Quelle: Ergebnisse des Projekts „ETTY E20 gasoline“ der Hochschule Coburg, Stand 04.07.2024.





Klimaschutz im Automobilsport:
Max Kruse Racing präsentiert in Berlin Rennwagen und E20-Kraftstoffkonzept
Berlin, 22. 01. 2025: „Wir wollen mit dem Einsatz von E20 Gasoline Klimaschutz im Automobilsport sichtbar machen und zeigen, dass man auch mit einem CO2-sparenden Benzin wie E20 Performance, Motorenverträglichkeit sowie Tempo miteinander verbinden und auch noch Spaß am Fahren haben kann. Deshalb sind wir sehr froh, dass das Max Kruse Racing Team sein Konzept für einen klimafreundlichen Automobilsport im Rahmen des Kraftstoffkongresses „Fuels für the Future 2025“ vor so einem großen Publikum vorstellen durfte“, erklärten der ehemalige Fußballprofi Max Kruse und Rennfahrer Benny Leuchter auf Europas größtem Kongress für nachhaltige Mobilität in Berlin. Das Max Kruse Racing Team hatte dort seinen Porsche 992 GT3 Cup im Foyer des von 600 Teilnehmenden besuchten Veranstaltungsortes als Anschauungsobjekt ausgestellt und einen Vortrag über den Einsatz und die Performance von E20 im Automobilsport gehalten.

Motorsport: Klimaschutz im Fokus
In der Formel 1 wird schon seit mehreren Jahren mit Super E10 gefahren, einem Benzin mit 10-prozentiger Bioethanol-Beimischung, das europaweit an den Tankstellen zu finden ist. Auch in anderen Motorsportklassen rückt der Klimaschutz beim Motorsport zunehmend im Fokus.
So fährt der Rennstall von Max Kruse & Benny Leuchter beispielsweise die Nürburgring Langstrecken Serie (NLS), sowie das 24h-Rennen am Nürburgring und verwendet dabei den Kraftstoff E20 Blue Gasoline, einem Benzin mit einer 20-prozentigen Bioethanol-Beimischung. Neben dem Porsche 992 GT3 Cup gehen auch der Golf GTI Clubsport 24h, der Golf GTI TCR, sowie der Audi RS3 LMS mit dem Biokraftstoff E20-Blue Gasoline an den Start. „Schon nach der ersten Testfahrt mit E20 Blue Gasoline sagte ich meinem Team: Mit diesem Kraftstoff muss ich einfach fahren“, so Fahrer & Teaminhaber Benny Leuchter weiter.
Starkes Signal auch für den Straßenverkehr
„Dass das Max Kruse Racing Team mit E20 Blue Gasoline erfolgreich seine Rennen bestreitet und andere Teams den Kraftstoff übernommen haben und nun ebenfalls E20 verwenden, ist auch ein starkes Zeichen für den allgemeinen Straßenverkehr und mehr Klimaschutz“, betonte Alois Gerig, Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft, der die Hersteller von nachhaltigem Bioethanol vertritt. „Hierzulande werden durch die Beimischung von Bioethanol zu Benzin jährlich schon mehr als drei Millionen Tonnen CO2 eingespart. Damit wird das Klimaschutzpotenzial durch höhere Anteile erneuerbarer Kraftstoffe aber bei weitem nicht ausgeschöpft. Mit einer baldigen breiten Markteinführung von E20 an Europas Tankstellen könnte das Klimaschutzpotenzial von erneuerbarem Ethanol erheblich besser genutzt werden“, zeigt sich der BDBe-Vorsitzende Alois Gerig abschließend überzeugt.


von links nach rechts: Max Kruse (Max Kruse Racing) │ Marlene Mortler (Vorsitzende Bundesverband Bioenergie) │ Alois Gerig (Vorsitzender Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft) │ Benny Leuchter (Max Kruse Racing) │ Stefan Walter (Geschäftsführer Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft)
Photocredit: Yves Sucksdorff